Viele Menschen haben Angst. Gestern saß ich auf dem Südstadtfest gegenüber eines alten Ehepaars. Nach dem zweiten/dritten Glas Wein kamen wir ins Gespräch: "Ich studier irgendwas mit Computer, mit Internet, Handys, Apps und so..." die Reaktion: "Oh. Ja, das ist alles gefährlich", "Da muss man aufpassen, sonst wird man beschissen", "Dieses Facebook muss ja ganz schlimm sein,..."
Klar, was man nicht kennt ist gefährlich. Bald wird eine Generation in das Jugendalter kommen die sich an eine Welt ohne Handy und Internet nicht mehr erinnern kann. Aber was hat sich denn wirklilch verändert?
Das Telefon gibt es schon ziemlich lange. In jedem Haus ein Telefon bedeudet, ich kann jeden anrufen und wenn er daheim ist "muss" er ran gehen, wenn er möchte, dass das schrille Klingeln aufhört. Mit der Erfindung des Handys war also keine neue Verpflichtung entstanden, im Gegenteil: Ich bekomme meistens angezeigt wer anruft und kann das Klingeln einfach abstellen oder zurück rufen wenn ich es für richtig halte. Was sich verändert hat ist die Masse der Informationen die ich ständig bekomme. Der ausgemachte Treffpunkt kann per SMS noch 20 Minuten vorher komplett verlegt werden. Und der Ort an dem ich erreichbar bin hat sich geändert: Nämlich immer und überall, außer, und das ist eine von vielen noch unentdeckte Funktion ihres Smartphones, ich will das nicht. Der Ausschalter. Viele trauen sich nicht vom ständigen Informationsfluss mal abzuschalten. Dazu kann es verschiedene Gründe geben, Angst etwas zu verpassen oder ein übertriebenens Verantwortungsbewustsein!? Wie kann man sonst erklären, dass 29% der Berufstätigen jederzeit außerhalb ihrer regulären Arbeitszeiten für Kollegen, Vorgesetzte oder Kunden erreichbar sind? (Spiegel 27/2012 Seite 73)
Das Internet in der Hosentasche hat die Möglichkeiten extrem erweitert. Mein elektronischer Briefkasten ist jetzt immer bei mir, auch meine Zeitung, mein Adressbuch, meine Bücher, Fotos, Filme, Musik, sogar alle meine Freunde mit Bildern und Informationen zu Aufenthaltsort und aktueller Tätigkeit, mein Navigationssystem, der Busfahrplan,... das ganze Internet. Eigentlich praktisch. Aber ich brauch ja nicht ständig jede Information. Wenn mein Handy vibriert, weil ein Freund bei einem Onlinegame (das er zum Zeitvertreib in der U-bahn spielt) einen neuen Rekord erreicht hat, dann stört das vielleicht in der Vorlesung oder beim Abendessen mit der Familie. Es ist also entscheidend, dass ich immer nur die für mich gerade jetzt relevanten Informationen bekomm. Und dieser Grundgedanke steckt hinter allen sozialen Netzwerken und hinter allen vernünftigen Online-Marketing-Strategien. Der Haken ist nur, damit mir die für mich relevanten Informationen zur passenden Zeit angezeigt werden können muss ich Informationen über mich, meine Tätigkeiten und Aufenthaltsorte preisgeben. Eigentlich ein ganz altes Prinzip, wer etwas gibt, dem wird gegeben. Wo Geld im Spiel ist gibt es aber immer schwarze Schafe. Deshalb ist ein harter Kampf um das Vertrauen der Nutzer entstanden. Wer das alles nicht kennt ist besonders vorsichtig, wer schon hunderte Artikel bei Amazon gekauft hat gibt bereitwillig seine neue Bankverbindung beim hundertersten Einkauf an.
Und da sind wir wieder bei den Generationen. In der Altersgruppe 14-49 sind schon heute mehr als 90% online, in der Altersgruppe 50+ sind es nur etwa 50% (diese und viele weitere Statistiken aus unterschiedlichen Quellen gibt es im Buch Social Media und Location-Based Marketing von Ron Faber und Sönke Prestin). Je länger die Menschen online sind, desto eher sind sie bereit Informationen über sich preis zu geben. Extrem ist das natürlich bei Jugendlichen die heute zu quasi 100% online sind, alle Vorteile nutzen und sich daran gewöhnt haben.
Wie vielleicht zu erwarten war kann man also keine klare Aussage treffen ob das Mobile Internet jetzt ein Fluch oder doch ein Segen ist. Es ist gefährlich, aber es bietet auch viele Vorteile. Wer nicht blind jedem vertraut, aber trotzdem bereit ist einige informationen preis zu geben (im wahrsten Sinn des Wortes, also damit zu bezahlen), und wer es schafft seine Geräte auch zur richtigen Zeit mal auszuschalten, für den können die fast unbegrenzten neuen Möglichkeiten ein Segen sein. Wer sich nicht kritisch mit dem Thema auseinandersetzt und blind immer auf "OK" klickt, für den könnte sich auch alles wenden. Aber, und da war ich mir wieder mit dem Ehepaar auf dem Südstadtfest einig, das gilt auch schon immer und für alle Bereiche des Lebens, der Politik oder der Wirtschaft.
Von solchen Erfahrungen mit Leuten, die denken das Internet sei das schlimmste und sehr gefährlich für unsere Generation, kann ich auch erzählen. Sie verstehen aber glaube ich eifach nicht, was für Möglichkeiten es wirklich gibt mobile zu surfen. Die Leute im höheren Alter kennen es einfach nicht anders als möglicherweise nur zu Hause erreichbar zu sein und vermissen daher auch nichts. Doch wie du schon sagst, wer von uns würde sein Smartphone freiwillig wieder hergeben. Bei Langeweile vertreibt es die Zeit, man ist immer und überall erreichbar, man kann mal schnell nach einer Information suchen die man gerade braucht oder zum Beispiel spontan jemanden treffen. Und ja, man kann es auch abschalten, doch das tun wohl die wenigsten. Willkommen in der Welt der neuen Medien!
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